Jeder Handwerker kennt es: Manchmal sind nicht die eigentlichen Arbeiten die Herausforderung, sondern der ganz normale Wahnsinn drum herum. Genau so war es auch, als ich mich einst zu einer Montagebaustelle in Baunatal begab – lange vor der Dieselkrise und lange bevor ich wusste, dass Pförtner in großen Werken eine ganz eigene Spezies sind.
Mein Auftrag war eigentlich recht simpel: Dichtringe von mehreren Stickstoffflaschen austauschen. Mein Team war anderweitig unterwegs, ich hatte drei Tage Zeit und dachte mir: "Warum nicht?" Was sollte schon passieren?
Der Einlassmarathon
Wer dachte, dass es mit einer freundlichen Begrüßung und einem kurzen Check-in getan sei, der hatte die Rechnung ohne die Sicherheitsvorschriften gemacht. Bevor ich überhaupt daran denken durfte, das Werksgelände mit meinem Fahrzeug zu betreten, musste ich jedes einzelne Werkzeug und jeden losen Gegenstand im Auto akribisch auf speziellen Formularen auflisten. Ich schwöre, hätte ich eine Kaugummipackung im Handschuhfach vergessen zu notieren, wäre ich vermutlich des Industriespionage-Verdachts bezichtigt worden!
Nachdem ich die Bürokratie-Odyssee gemeistert hatte, bekam ich endlich meine Einfahrerlaubnis. Der Triumph war jedoch von kurzer Dauer.
Tarnung ist alles – Oder auch nicht
Die Baustellenleitung empfing mich freundlich, und Paul, mein Ansprechpartner, bot mir direkt das "Du" an. Eine gute Basis für die kommenden Tage, dachte ich. Dann aber kam die nächste Herausforderung: Der Arbeitsplatz lag im Keller, und ich hatte Unmengen an Werkzeug dabei. Paul meinte augenzwinkernd: "Fahr doch einfach mit deinem Auto runter. Hier unten stört das niemand." Perfekt, dachte ich!
Kaum war ich mit meinem großen Kombi (wohlgemerkt einer anderen Marke als die des Werks!) im Keller angekommen und noch nicht einmal ausgestiegen, brach plötzlich ein Orkan auf zwei Rädern über mich herein. Ein Pförtner in scharfem Dienstmodus kam auf seinem Fahrrad angerast und raunzte mich an, als hätte ich gerade versucht, den Firmenschatz zu stehlen. "Was fällt Ihnen ein, hier runterzufahren?!" brüllte er.
Mir war sofort klar: Es ging nicht um Sicherheitsvorschriften oder Verkehrsregeln. Nein, es ging um die Marke meines Autos. Hätte ich ein Fahrzeug aus "seinem" Werk gefahren, wäre ich vermutlich mit einer Ehrenmedaille und einem Kaffeegutschein begrüßt worden. Aber so? Ein klarer Fall von "Nicht mit unserem Auto? Dann nicht in unseren Keller!"
Das Ende vom Lied: Meine Einfahrerlaubnis wurde mir postwendend entzogen, und ich durfte mein Auto drei Kilometer entfernt abstellen. Fortan musste ich jeden Tag eine sportliche Wanderung zur Baustelle und zurück absolvieren – mit Werkzeugen, die schwerer waren als meine Laune in diesem Moment.
Dichtringe und das Konzept von "ewig"
Nachdem ich mich mit der neuen Situation abgefunden hatte, konnte ich mich endlich an die eigentliche Arbeit machen. Stickstoffflaschen entleeren, Verschlussschrauben lösen, Dichtflächen reinigen, neue Dichtringe einsetzen – soweit, so gut.
Doch dann kam der eigentliche Gedulds-Test: Das Wiederauffüllen der Stickstoffflaschen. Anfangs lief alles flüssig, solange die Stickstoffbatterie noch genügend Druck hatte. Doch als das Ladegerät übernehmen musste, fing das Warten an. Es war die hydraulische Version von "Gras beim Wachsen zusehen".
Und natürlich, wenn es gerade fast geschafft war und der Druck 150 bar näher rückte – zischte plötzlich irgendwo eine Schraube. Eine einzige verdammte Schraube, die noch immer nicht dicht war. Also nochmal von vorne. In solchen Momenten bekommt das Wort "ewig" eine ganz neue Bedeutung.
Abschied mit einer Extrarunde Sport
Nach drei Tagen war mein Auftrag erledigt. Doch selbst der Abschied wurde mir nicht leicht gemacht. Mein Nachfolger aus dem Servicecenter durfte ganz regulär mit seinem Fahrzeug zur Baustelle fahren. Er fuhr nämlich ein Auto aus "der richtigen Familie".
Ich hingegen verabschiedete mich wie gewohnt mit einer letzten drei Kilometer langen Wanderung – diesmal jedoch mit dem Gedanken, dass ich zumindest meine Fitness verbessert hatte.
Fazit: In manchen Werken sind nicht die technischen Probleme die Herausforderung – sondern die zwischenmenschlichen Eigenheiten. Und wenn du mit dem "falschen" Auto vorfährst, kannst du sicher sein, dass du schneller zu Fuß unterwegs bist, als dir lieb ist!
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